Hallo meine Flauschehasen, da bin ich wieder. Ist es bei euch auch so sonnig und warm? Ich gestehe, mir ist im Moment wirklich heiß. Wenn ich gleich zu meiner Bande fahre, weiß ich jedoch das sie gut geschützt unter den Bäumen schlafen. Das machen sie tagsüber sehr gerne, und nachts, wenn es dann kühler ist, futtern sie ihr Gras und höppeln beschwingt über die Weide.
Das führt oft dazu das die Spaziergänger ein etwas verfälschtes Bild von der Bande haben.
- Oh die sind sicher alt, die schlafen ja nur
- Denen ist ja langweilig, weil die nur dumm rum stehen auf dem Gras
- Die bewegen sich ja nie und kommen auch nicht wenn ich rufe, die sind bestimmt nicht mehr gesund
Nein, meine Damen und Herren, die sind einfach knacke faul! Und genau das wäre ich auch, wenn ich die Wahl hätte. Wie gerne würde ich es meinen Pferden gleich tun und tagsüber in der Hängematte unter den Bäumen Siesta halten. Und alle Arbeit in die kühlen Abend- oder Morgenstunden verlegen.
Meine Offenstallbande hat es da wirklich gut, da sie sich ihre Zeit einteilen kann, wie sie mag, und ich gönne ihnen diesen Luxus von Herzen. So kann der Schein also trügen, wenn die vermeintlich alten faulen Rentnerpferde dann abends oder früh morgens vergnügt über die Weide hüpfen, statt sich mit einem Rollator nach Luft japsend von Grashalm zu Grashalm zu schieben.
Und der Schein trügt häufiger, als man glaubt. Eine ebenso charmante Aussage von Spaziergängern, die nur sporadisch auftauchen ist immer wieder:
»Ich sehe dich aber niiieee bei den Pferden.« dicht gefolgt von »Ich sehe dich aber niiieee reiten.« Äh ja und ich sehe dich nie einkaufen, für deinen Mann kochen, und beim Pimpern hab ich euch auch noch nicht zugesehen. Merkste was?
Als Selbstversorger bin ich natürlich nicht an die gängigen Öffnungszeiten eines Pensionsstalles gebunden. Das gibt mir die Möglichkeit die tägliche Versorgung so zu planen, dass es für die Pferde als auch meinen Zeitplan optimal ist.
Nicht selten fällt daher die – wenigstens 2x tägliche – Versorgung auf Zeiten frühmorgens, wenn so mancher Spaziergänger noch im Bettchen liegt. Oder ich versorge sie spätabends, wenn sie wieder daheim auf dem Sofa sitzen.
Ähnlich ist es mit meiner freien Zeit zum Reiten. Denn ich gestehe, dass diese bedingt durch meine Selbstversorgung manchmal knapper ausfällt, als mir lieb ist. Dennoch ist auch diese dann meist frühmorgens um Mücken und Bremsen weitläufig aus dem Weg zu gehen. Nur liegen meine Stalkingfreunde dann meist noch im flauschigen Bettchen.
Vielleicht sollte ich demnächst dann doch mal dort vorbei reiten und sie aus dem Bett klingeln?
Nein, so gemein bin ich natürlich nicht.
Aber das Auge des Betrachters ist immer so eine Sache, man sieht es oft genug im Internet. Ein gepostetes Bild wird schnell zerrissen ohne das man nach den Hintergründen fragt. Phrasen und Allgemeinlösungen werden in den Raum geworfen, ohne das Problem genauer zu betrachten.
Eine Aussage, die mich immer wieder erheitert, ist:
»… und dann stehen die Pferde bestimmt noch in einem windschiefen Unterstand, der mal eben zusammen gezimmert wurde.«
Wenn ich das lese, muss ich immer wieder schmunzeln. Denn auch mein Offenstall ist alles andere als perfekt. Ich hatte erst letztens wieder eine spannende Unterhaltung mit einem Mann der auch zuerst meinte: »Oh, die eine Seite da ist es aber schief.« Und ob die schief ist, denn ein Standbalken ist dort zu Bruch gegangen und das Dach an der Stelle etwas runter gesunken. Natürlich wurde der Balken getauscht, alles neu gemacht. Weitere Balken samt einer neuer Wand eingezogen. Aber das schwere Dach konnte ich alleine nicht mehr hoch hebeln. Also ist die eine Ecke eben etwas tiefer.
Stört mich nicht, stört die Pferde noch weniger, und hält bombenfest. Das musste dann auch mein Kritiker anerkennend einsehen, als er sich alles ganz genau ansah.
Und das Amüsante ist, für einen Außenstehenden wirkt es vielleicht windschief, ich weiß aber das alles hält und in Ordnung ist. Und was noch viel wichtiger ist, diese Stelle erinnert mich jedes Mal daran, das mein Pferd überlebt hat! Denn der Balken wurde zerstört als diese sich voller Schmerz dagegen warf als sie eine Ripper Attacke überlebte.
Genauso ist es mit ihrem Bein. Andere sehen eine vernarbte Wunde, unperfekt, sicher nicht schön. Ich sehe mein geliebtes Pferd, das diese Aktion vor 10 Jahren mit einer Not-OP überlebte. Die Narbe ist für mich nicht hässlich, sondern ein Zeichen, das wir diesen Kampf zusammen geschafft haben! Für viele Menschen wäre sie so nicht mehr perfekt, für mich ist sie einzigartig und wunderschön.
Oder mein Auto. Oh weh, das ist weit von Perfektionismus entfernt. Im Fußraum sammeln sich Gras und Erde, auf der Rückbank ist alles voller Heuhalme. Im Kofferraum stehen meine Wasserkanister, die seit 12 Jahren ihren Dienst tun. Im Fußraum der Rückbank finden sich von Halftern über Putzkoffer und Hufwerkzeug, das Erste-Hilfe-Set, bis hin zur Ast- und Heckenschere. Und dazu X Meter Litze, Isolatoren und Griffe. Ja, ich entschuldige mich jedes Mal, wenn mein Auto ungeplant in die Werkstatt muss. Aber mittlerweile wissen auch die, dass ich ein Pferdeauto habe.
Sie wissen, dass meine Welt vom Pferd geprägt ist und somit auch mein Auto. Das perfekte Tussieauto in Pink, das immer glänzt, kann ich leider nicht bieten, aber das will ich auch nicht.
Natürlich bleiben auch Einkäufe in Stallkleidung nicht aus. Und mag es sicher auch mal das eine oder andere Raunen an der Kasse hinter mir geben, so lebe ich damit, dass ich unperfekt bin. Ich schaffe es eben nicht nach dem Stall noch Heim zu fahren, zu duschen, mich umzuziehen, fertig zu stylen und dann erst einkaufen zu fahren. Nur um mich danach, wenn ich am Stall bin, gleich wieder einzusauen. Denn wir kennen es ja alle: Man braucht ein Pferd nur auf 200 m anzusehen und schon hat man seine sauberen Sachen versaut.
Nein sorry, ich kaufe eben auch in Stallsachen ein. Ich Luder ich.
Und dabei fühle ich mich nicht weniger fehl am Platz, als ein Bauarbeiter der nach Teer muffelnd den Laden betritt. Oder eine hoch gestylte Dame, die in ein Parfüm gefallen ist. Ein Hoch hier auf meine bevorzugten Supermärkte, die mich in Stallkleidung genauso nett bedienen wie in normaler. Nur das sie mich dann gestylt meist nicht mehr erkennen. 😉
Ich lebe also in einer herrlich unperfekten Welt.
- Eine Welt, in der Pferde Schönheitsmangel haben dürfen.
- Eine Welt, in der ein Stall nicht perfekt aussehen muss.
- Eine Welt, in der ich nicht nach der Stechuhr reiten oder füttern muss.
- Eine Welt, in der auch mein Auto oder meine Kleidung zeigen dürfen, das ich vom Pferd komme.
- Eine Welt, in der die Pferde einfach Pferd sein dürfen.
Und schauen wir uns einmal in anderen Ställen um wird es in jedem Stall etwas geben das nicht perfekt ist.
Mag uns die Facebook-Gemeinschaft doch oft mit Worten und Bildern blenden, und eine perfekte Welt vorgaukeln: In jedem Stall gibt es eine Schmuddelecke oder etwas das nicht gänzlich perfekt ist.
Aber das ist nicht schlimm, denn wir müssen nicht perfekt sein! Eine Schmuddelecke kann davon zeugen, dass man lieber Zeit mit seinem Pferd verbracht hat, statt aufzuräumen.
Ein Pferd, das etwas mäkelig auf Bildern ausschaut, kann sich in der Erholungsphase befinden, welche der Besitzer mit Zeit und Mühe fördert. Es gibt viele Dinge, die nicht perfekt sind, und es ist völlig egal, was die Anderen denken. Wichtig ist nur, dass es euren Pferden gut geht und diese optimal versorgt sind.
Meine Welt ist herrlich unperfekt und ich werde mich nicht dem Zwang nach Perfektion beugen.
Ich wünsche euch das Gleiche,
flauschige Grüße
Celeste